Dass Websites Menschen mit Behinderungen zugänglich gemacht werden müssen ist eigentlich nur fair und längst überfällig. Dabei hat aber auch der Besitzer der URL so einiges davon, denn die SEO orientiert sich stark an der Nutzungsfreundlichkeit – und barrierefrei ist im höchsten Grad einfach nur nützlich, und das eben für alle!
Wie der einzelne seine Seite barrierefrei gestaltet obliegt allerdings diesem, doch gibt es empfohlene Richtwerte. Doch von Anfang an…
Wie alles begann…
Es war einmal das Jahr 2006, genauer gesagt: Der 1. Jänner 2006. Also vor über zehn Jahren. An diesem besagten Tag, der übrigens ein Sonntag und noch dazu – wie jedes Jahr – ein Feiertag war, trat die im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG, BGBl. I Nr. 82/2005) verankerte Regelung zur Gelichstellung von Personen mit Behinderungen in Kraft. Demnach sollten Menschen mit Behinderungen beim öffentlichen Zugang zu Waren, Dienstleistungen und Informationen keine Benachteiligung erfahren. Sollte hingegen eine Diskriminierung auftreten, hat der Geschädigte die Möglichkeit in einem zweistufigen Verfahren (Schlichtungsstelle bzw. ordentliches Gericht) Schadenersatz einzuklagen.
„Mittelbare Diskriminierung“
Barrieren im Internet stellen laut Definition eine sogenannte „mittelbare Diskriminierung“ dar. Diese liegt laut Definition dann vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien, Verfahren oder Merkmale gestalteter Lebensbereiche Menschen mit Behinderungen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Ausgenommen davon sind nur Lebensbereiche die durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung angemessen und erforderlich sind.
Warum, Weshalb und Überhaupt
Menschen mit Behinderungen stehen durch die digitalen Kommunikationswege wie Smartphone, Tablet und PC’s vor ganz besonderen Herausforderungen. Bei Wahrnehmungsproblemen genügen oftmals die Farbkontraste nicht oder aber die Skalierung fehlt bzw. Textalternativen. Auch Verständnisprobleme durch mangelnde Navigationshilfen oder einen zu komplexen Satzaufbau, zu kurze Timeouts oder eine Bedienung ohne Tastatur sind Probleme wodurch Menschen mit Behinderungen den Zugang zum Internet oft nur eingeschränkt nützen können.
Zu all diesen Problemen kommen allerdings assistive Technologien wie beispielsweise Bildschirmlupen, Braille-Zeilen, Bildschirmtastatur, Mundmaus etc. entgegen, sofern die diese mit der jeweils gewählten Website entsprechend derer Parameter reagieren können.
Für User ohne Einschränkung die sich schon längst an das ständig greifbare Internet gewöhnt haben und in Minutenschnelle jene Informationen recherchieren können, die sie akut brauchen, ist es fast unvorstellbar, das Netz auf anderen Wegen überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Doch es geht – aber es ginge eben noch viel besser. Eben mit dem barrierefreien Design.
Design for all
Ein barrierefreier Webauftritt bringt nicht nur eine einfwandfreie Darstellung für wirklich alle, sondern erhöht zudem die Reichweite und die Anzahl potentieller Klicks inklusive dem SEO-Ranking. Doch was genau versteht man unter „barrierefreiem Design“?
Wie gesagt: Verbindliche Standards oder Regelungen, welche Kriterien eine barrierefreie Website nun wirklich erfüllen müssen, gibt es nicht. Allerdings haben sich die sogenannten „WAI-Richtlinien“ (Web Accessibility Initiative) einer internationalen Vereinigung (W3C, World Wide Web Consortium) entwickelt. Rechtlich unverbindlich veröffentlichen diese Empfehlungen und bieten Hilfestellung bei der Umsetzung.
Ziel ist es, einen möglichst hohen Grad an barrierefreien Inhalten zu schaffen. Auch wenn der höchste Grad nicht zwingend erforderlich oder im Einzelfall garnicht umsetzbar ist, wird dies dennoch als kein Grund für eine gänzliche nicht-Umsetzung barriererfreier Maßnahmen anerkannt. Soll heißen: Früher oder später wird eine barrierefreie Herangehensweise bei der Website-Planung für jeden an der Tagesordnung stehen müssen, sofern bis dahin nicht ohnehin Mindest-Standards eingeführt wurden.
Die WCAG 2.0-Richtlinien basieren auf vier Prinzipien
- Wahrnehmbarkeit: Informationen und Steuerelemente der Benutzerschnittstelle sind so darzustellen, dass sie von allen Benutzern wahrgenommen werden können.
- Bedienbarkeit: Steuerelemente der Benutzerschnittstelle und die Navigation müssen bedienbar sein.
- Verständlichkeit: Informationen und Bedienung der Benutzerschnittstelle müssen verständlich sein.
- Robustheit: Inhalte müssen robust sein, sodass sie von verschiedensten Usern inkl. assistierender Technologien verlässlich interpretiert werden können.
Unter jedem dieser Grundsätze gibt es wiederum eine Reihe von weiteren Richtlinien um sicherzustellen, dass soviele Menschen wie möglich auf die Inhalte zugreifen können.
Kategorien, wie bei Batterien
Wie barrierefrei eine Website ist, wird in drei Kategorien eingeteilt:
A = minimal barrierefrei
AA = moderat barrierefrei
AAA = höchst barrierefrei
Allerdings ist die Stufe AAA oft technisch nicht umsetzbar wodurch man sich als Ziel durchaus die Stufe AA vornehmen darf. Diese kann im übrigen nur erreicht werden, wenn die Kriterien für die A-Stufe erreicht wurden.
Überprüfung ganz einfach
Liest man sich in das Thema der barrierefreien Website ein, stellt man sich schon nach kurzer Zeit die Frage: „Und wie weiß ich, ob meine Seite barrierefrei ist“ bzw. „Wo sind die Mängel auf meiner Seite?“
Auch hierfür hat das Internet eine schnelle und bequeme Lösung parat: Der HTML Validator von W3C ist das wohl bekannteste Testtool zur Überprüfung der Barrierefreiheit einer Website. Hier können Sie Ihre Website selbst testen.
Rechtsfolgen
Das Behindertengleichstellungsgesetz ist ein Gesetz. Also eine zivilrechtliche Vorschrift. Somit ist ein möglich entstandender Schaden auch auf dem zivilrechtlichem Weg einzuklagen. Allerdings vor einer offiziellen Gerichtsklage zuerst ein Schlichtungsverfahren anzulegen – dieses ist eine rasche und kostengünstige (und vor allem auch außergerichtliche) Streitbeilegung bei der auch Mediation als Konfliktlösungsmaßnahme herangezogen werden kann. Scheitert das Schlichtungsverfahren kann erst dann der ordentliche Gerichtsweg in Anspruch genommen werden.
Der Schadensersatzanspruch kann sich dabei auf materiellen Schaden als auch auf immateriellen Schaden beziehen.
Checkliste
Eine Website hat dem Stand der Technik unter Einsatz bestmöglicher Methodik zu entsprechen und dabei barrierefreies Design aufzuweisen. Vor allem für neue Websites empfiehlt es sich, diese Richtlinien gleich von Anfang an zu berücksichtigen.
Geachtet werden sollte demnach nun auf:
- für Texte Alternativen bereit stellen
- für Audio- und Videodateien Alternativen bereit stellen
- Inhaltsgestaltung einfach und strukturiert sodass keine Information verloren gehen kann
- Erleichtertes sehen und hören der Inhalte (inkl. Vorder- und Hintergrund)
- Alle Befehle sollten auch via Tastatur bedienbar sein (also: ohne Maus/Touchpad)
- Ausreichende Timeouts (genug Zeit zum Lesen geben)
- Inhalte so gestalten, dass sie keine epileptischen Anfälle auslösen könnten
- Navigationshilfen bereitstellen
- Texte lesbar und leicht verständlich gestalten
- Konzept der Website sollte voraussagbar sein und kein originelles Rätsel
- Sicherstellung der Kompatibilität mit Benutzeragenten und assistierender Technologie